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Voriges Kapitel

Einleitung

In dieser Abhandlung beziehen wir uns hauptsächlich auf das Buch Daniel und die Offenbarung. Bis in die jüngste Vergangenheit hinein konnten selbst international bekannte Bibellehrer nicht viel mit dem Inhalt der beiden prophetischen Bücher anfangen. Sie standen vor immer neuen Rätseln, weil sie nicht imstande waren, die darin verwendete Symbolsprache zu entschlüsseln. Was aufgrund direkter Inspiration niedergeschrieben wurde, kann auch nur durch besondere Offenbarung von oben enthüllt und verstanden werden. Hier darf nicht Menschengeist philosophisch forschen, hier muß der Geist Gottes erleuchten und das Verborgene enthüllen (1. Kor. 2, 10-13). Weil die Zeit für den prophetischen Teil noch nicht gekommen war, hat man lediglich eigene Erkenntnisse nach bestem Wissen niedergeschrieben.

Biblische Prophetie kann nicht gedeutet, sie muß vielmehr in ihrer Erfüllung erkannt und beobachtet werden. Die eschatologischen, d. h. die endzeitlichen Ereignisse sind durch göttliche Vorherbestimmung vorprogrammiert. Gott hat beides, die Menschheitsgeschichte und die sich in ihr vollziehende Heilsgeschichte, im voraus niederschreiben lassen. Was Bibelausleger bisher sagten, trifft, wie wir sehen werden, auf die klaren, der Verwirklichung entnommenen Antworten Gottes nicht zu. Wer meint, er wisse etwas, der bedenke, daß jede Erkenntnis in das Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift eingebettet sein und mit ihr übereinstimmen muß. Was über ein Thema gesagt wird, ist nur dann richtig, wenn auch die letzten dazugehörenden Fragen eindeutig und zufriedenstellend beantwortet werden.

Nicht weil wir die Bibel gründlicher gelesen haben, sondern weil jetzt die Zeit da ist, in der die Geheimnisse Gottes kundwerden, hat der HErr den Seinen das Verständnis für den prophetischen Teil der Schrift geöffnet. Ohne jeden Zweifel leben wir im letzten Abschnitt der Heilsgeschichte. Mit dieser Feststellung soll weder Panik noch Weltuntergangsstimmung hervorgerufen, wohl aber ein Erwachen und Ernüchterung bewirkt werden. Jetzt geht es um die Betonung des prophetischen Wortes, das hinter dem evangelistischen und lehrmäßigen Teil nicht zurückbleiben darf.

Dem Propheten Daniel wurde befohlen: "Du aber, Daniel, halte das Gesagte unter Verschluß und versiegle das Buch bis zur Endzeit; viele werden es dann durchforschen, und so wird die Erkenntnis zunehmen." (Kap. 12, 4).

Die Versiegelung des so wichtigen Inhalts sollte nicht für immer, sondern nur bis zur Endzeit erfolgen. Von der "Endzeit" bzw. den "letzten Tagen" ist im Alten und Neuen Testament wiederholt die Rede. In Daniel 8, 17 + 19 heißt es: "Gib acht, Menschensohn! denn das Gesicht bezieht sich auf die Endzeit ... Wisse wohl: ich will dir kundtun, was in der letzten Zeit des Zorns geschehen wird; denn das Gesicht bezieht sich auf die festgesetzte Endzeit."

Was vor kurzem noch verborgen und versiegelt war und demzufolge nicht verstanden werden konnte, ist nun geoffenbart. Gewiß werden alle nach dieser Darlegung das Buch Daniel und die Offenbarung besser verstehen.

Der Prophet Daniel hat die Gesichte, in denen gewisse Entwicklungen und Ereignisse in Symbolen angekündigt wurden, nicht gedeutet, zu ihm wurde der Engel Gabriel gesandt, der ihm das, was er sah, erklärte. Daniel bezeugt von ihm: "Er wollte mir Aufklärung geben und redete mich mit den Worten an: 'Daniel, schon jetzt bin ich hergekommen, um dir zum richtigen Verständnis zu verhelfen. Als du zu beten begannst, erging ein Gotteswort, und ich bin gekommen, um dir Auskunft zu geben; denn du bist ein besonders geliebter Mann. So achte nun auf das Wort, damit du die Offenbarung genau verstehst!'" (Kap. 9, 22-23).

Wie damals, so geht es auch heute um Aufklärung und das rechte Verständnis, aber auch um das Gebet, in welchem das tiefe Herzensverlangen zum Ausdruck kommt, von Gott Klarheit zu erhalten. Der Schlüssel dazu liegt in der Aufforderung: "So achte nun auf das Wort, damit du die Offenbarung genau verstehst!" Wer das Wort außer acht läßt, geht trotz vermeintlicher Offenbarung irre. Gott ist an Sein Wort gebunden; Er tut alles gemäß Seinem Wort. In Kap. 11, 1 lesen wir: "Doch ich will dir nun verkünden, was im Buch der Wahrheit aufgezeichnet steht." Mehr wollen und brauchen wir nicht. Wir möchten aber gern erfahren, was in diesem Buch der Wahrheit geschrieben steht.

Johannes wurde ebenfalls von einem Engel besucht, als er sich auf der Insel Patmos befand. Das wird bereits im ersten Vers des ersten Kapitels der Offenbarung bezeugt: "ER hat es durch die Sendung Seines Engels Seinem Knechte Johannes durch Zeichen kundgetan". Nachdem er all die Visionen und Vorgänge in Bildern gesehen hatte, legt er in Kap. 22, 8-9 folgendes Zeugnis ab: "Und ich, Johannes, bin es, der dies gehört und gesehen hat; und als ich es gehört und gesehen hatte, warf ich mich dem Engel, der mir dies gezeigt hatte, zu Füßen nieder, um ihn anzubeten; aber er sagte zu mir: 'Nicht doch! ich bin nur ein Mitknecht von dir und deinen Brüdern, den Propheten, sowie von denen, welche die Worte dieses Buches festhalten. Bete Gott an!'"

Der Dank und die Anbetung gebühren Gott allein, auch dann, wenn Er einen Engel oder Botschafter sendet. ER hat himmlische und irdische Boten, durch die Er reden und wirken kann (Hebr. 1, 7).

Zu einem besonderen heilsgeschichtlichen Auftrag gehört eine direkte prophetisch-apostolische Berufung. Wer nur ein eingebildetes Sendungsbewußtsein hat, wird die Menschen an sich und seine Lehren binden und somit in seine Nachfolge bringen. Wer jedoch von Gott gesandt ist, der redet Gottes Wort und bringt die Menschen in Verbindung mit Gott. Solche Gottesmänner bahnen und bereiten Ihm und gleichzeitig Seinem Volke den Weg, indem sie jedes geistliche Hindernis ausräumen (Jes. 62, 10). So werden Menschen tatsächlich Jünger und damit Nachfolger Jesu Christi.

Der Gedanke erinnert uns an die Weissagung aus Mal. 3, 1: "Siehe, Ich sende Meinen Engel vor Mir her, daß er den Weg vor Mir her bahne." Sie erfüllte sich in Johannes dem Täufer, der dem HErrn vorausgesandt wurde (Matth. 11, 10).

In Offbg. 22, 6 lesen wir: "Diese Worte sind zuverlässig und wahrhaftig, und der HErr, der Gott der Prophetengeister, hat Seinen Engel gesandt, um Seinen Knechten anzuzeigen, was in Bälde geschehen muß." Zuletzt spricht der HErr selbst: "ICH, Jesus, habe Meinen Engel gesandt, um euch dieses vor den Gemeinden zu bezeugen" (Vers 16).

Immer wenn Ereignisse von heilsgeschichtlicher Bedeutung geschehen, sendet Gott einen Engel bzw. einen Propheten. "Gott der HErr tut nichts, ohne zuvor Seinen Ratschluß Seinen Knechten, den Propheten, geoffenbart zu haben." (Amos 3, 7). So wurde zum Beispiel die Geburt Johannes des Täufers von einem Engel angekündigt (Luk. 1, 13). Auf den Fluren zu Bethlehem hörten die Hirten die himmlischen Heerscharen singen und aus dem Munde des Engels die Nachricht von der Geburt des Erlösers: "Fürchtet euch nicht! denn wisset wohl: ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volke widerfahren wird; denn euch ist heute ein Retter geboren, welcher ist Christus, der HErr, in der Stadt Davids" (Luk. 2). Auch die Öffnung der Siegel wurde auf übernatürliche Weise angekündigt.

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