Der Sabbat
Zu allen Zeiten, wenn Gott durch Seinen Geist in besonderer Weise auf Erden wirkte, entstand in den Herzen Seiner Kinder das Verlangen, nach dem Worte Gottes zu leben und alles zu tun, was Er geboten hat. Diese Sehnsucht weckt der Geist Gottes durch den Ernst der Wortverkündigung in den Menschen. Fast immer kamen die gleichen biblischen Fragen auf, über welche die Meinungen allerdings auseinander gingen.
In unserer Betrachtung geht es darum, den biblischen Standpunkt über den Sabbat darzulegen und nicht die Ansicht und Lehre einer bestimmten Glaubensrichtung. Wir halten uns deshalb auch ausschließlich an das, was im Gesamtzeugnis der Bibel geschrieben steht. Als Erstes müssen wir beachten, wann, für wen und zu welchem Zweck eine Lehre und Verordnung von Gott gegeben wurde. Es ist auch dringend notwendig, möglichst alle Stellen, die zu einem Thema gehören, in die Betrachtung einzubeziehen.
Nach Vollendung des Schöpfungswerkes ruhte Gott am siebenten Tage. „Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn; denn an ihm hat Gott von Seinem ganzen Schöpfungswerk und Seiner Arbeit geruht.“ (1. Mose 2, 3).
Trotz der Betonung, die auf den siebenten Tag gelegt wurde, verging eine Zeitspanne von etwa zweitausendfünfhundert Jahren von Adam über Henoch, Noah, Abraham bis zur Gesetzgebung, in welcher der Sabbat überhaupt nicht erwähnt worden ist.
Erst in der Gesetzgebung erklärte Gott der Herr den Sabbat als Gebot: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heilig hältst! Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Geschäfte verrichten! Aber der siebente Tag ist ein Feiertag — Ruhetag zu Ehren des Herrn deines Gottes: da darfst du keinerlei Geschäft verrichten … Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel und die Erde geschaffen, das Meer und alles, was in ihnen ist; aber am siebenten Tage hat Er geruht; darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt“ (2. Mose 20, 8-11).
In 2. Mose 31, 12-17 wird die Gemeinde Israel dreimal auf den Sabbat verpflichtet. „Beobachtet ja Meine Sabbate! denn sie sind ein Zeichen zwischen Mir und euch für eure künftigen Geschlechter, damit ihr erkennt, dass Ich, der Herr, es bin, der euch heiligt … So sollen also die Israeliten den Sabbat beobachten, indem sie den Ruhetag von Geschlecht zu Geschlecht feiern, als eine ewige Verpflichtung. Für ewige Zeiten soll er ein Zeichen zwischen Mir und den Israeliten sein! …“ Wie wir sehen, hat der Herr Sein Bundesvolk Israel, was den Sabbat anbelangt, besonders verpflichtet.
Gott der Herr verordnete dem Volk Israel also den siebenten Tag der Woche als den zu heiligenden Ruhetag. ER bestimmte auch das siebente Jahr als ein „Sabbatjahr“ — ein Ruhejahr für Israel: „Sechs Jahre sollst du dein Land bestellen und seinen Ertrag einernten; aber im siebenten Jahre sollst du es ruhen lassen und es freigeben, damit die Armen deines Volkes sich davon nähren können …“ (2. Mose 23, 10-11). Ebenso verordnete Gott Seinem Bundesvolk Israel das fünfzigste Jahr als „Halljahr“. Sieben mal sieben Jahre sollten vergehen und darauf folgte das Halljahr. Am Versöhnungs-Tag sollten die Posaunen es ausrufen: „Sodann sollst du dir sieben solcher Sabbat/Ruhejahre, also sieben mal sieben Jahre abzählen, so dass dir die Zeit der sieben Sabbatjahre neunundvierzig Jahre beträgt. Dann sollst du am zehnten Tage des siebenten Monats die Lärmposaune erschallen lassen; am Versöhnungs-Tage sollt ihr die Posaunen überall im Lande erschallen lassen und so das fünfzigste Jahr heiligen, und sollt im ganzen Land Freiheit für alle seine Bewohner ausrufen: ein Halljahr soll es für euch sein, in dem ein jeder von euch wieder zu seinem Besitz kommen und ein jeder zu seiner Familie zurückkehren soll.“ (3. Mose 25, 8-11). Der siebente Tag, das siebente Jahr und dann das Halljahr hatten eine besondere Bedeutung für Israel.
Wie wir gesehen haben, hat Gott der Herr Sein alttestamentliches Bundesvolk auf den Sabbat in ganz besonderer Weise verpflichtet. Der Herr Jesus nahm jede Gelegenheit wahr, am Sabbat zu denen zu sprechen, die sich zur Andacht versammelt hatten. ER selbst hat den Sabbat gehalten und geheiligt, hat aber auch am Sabbat gerettet und geheilt, weil Er der Herr über den Sabbat ist (Luk. 6, 5) und der Mensch nicht um des Sabbats willen, sondern der Sabbat um des Menschen willen geschaffen wurde (Mark. 2, 27-28). Deshalb durften auch ein Ochse oder ein Schaf, die in den Brunnen gefallen waren, am Sabbat herausgeholt werden (Luk. 14, 5). Auch die Apostel haben jede Gelegenheit genutzt, am Sabbat das Wort zu verkündigen (Apg. 17, 2; 18, 4).
Shabath bedeut „Ruhe“, wie Shalom „Frieden“ bedeutet. Gott ruhte nach vollendeter Schöpfungstätigkeit und führt die Seinen nach vollbrachter Erlösung in Seine Ruhe, nämlich in den Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Leider hat das Volk Israel, dem das Gesetz und die Verheißungen eigentlich verordnet waren (Röm. 9, 4), die geistliche Bedeutung, die der siebente Tag vorschattiert hat, nicht erkannt. So spricht der Herr: „Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen; sie aber wollten von Meinen Wegen nichts wissen. So schwur Ich denn in Meinem Zorn: Sie sollen nicht in Meine Ruhe eingehen!“ (Ps. 95, 10-11).
Dem ganzen Volk Israel, das den Sabbat „hoch und heilig“ hielt, musste der Tadel ausgesprochen werden: „Sie aber waren widerspenstig und betrübten Seinen Heiligen Geist, so dass Er sich ihnen in einen Feind verwandelte“ (Jes. 63, 10). Auf die Minderheit jedoch, die nicht im Unglauben und Ungehorsam verharrte, trifft zu: „Gleich der Herde, die ins Tal hinabzieht, brachte der Geist des Herrn sie zur Ruhe.“ (V. 14).
Im Brief an die Hebräer ist diesem Thema über die wahre Sabbatruhe in den Kapiteln 3 und 4 reichlich Raum gewidmet, und zwar mit Bezug auf Psalm 95 und im Vergleich mit dem alttes-tamentlichen Bundesvolk. Wir zitieren mit Blick auf das Neue Testament: „Deshalb ergeht das Wort des Heiligen Geistes: Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht … Allezeit gehen sie mit ihrem Herzen irre! …“ (3, 7+10) Wegen ihres Unglaubens und Ungehorsams konnten sie, obwohl sie den Sabbat gehalten haben, nicht in die Ruhe Gottes eingehen. Deshalb steht in Kapitel 4 geschrieben: „Da nun die Verheißung des Eingehens in Seine Ruhe noch unerfüllt geblieben ist, … Wir dagegen, die wir zum Glauben gekommen sind, gehen in die Ruhe ein, wie Gott gesagt hat … Da also das Eingehen einiger in die Ruhe bestehen bleibt … so setzt Gott aufs Neue einen Tag fest — »den Tag des Heils« (Jes. 49, 8; 2. Kor. 6, 2), — „ein ,Heute‘, indem Er nach so langer Zeit durch David, wie schon vorhin gesagt worden ist, verkündigt: ,Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!‘ Denn wenn Josua sie wirklich in die Ruhe Gottes eingeführt hätte, so würde Er nicht von einem anderen, späteren Tage reden. Somit bleibt dem Volke Gottes eine ‚Sabbatruhe‘ noch vorbehalten“ (Hebr. 4, 1-10). Es steht hier nichts von einer „Ruhe am Sabbat“, sondern von einer »Sabbatruhe«, und das ist die Ruhe in Gott. Wie nämlich Gott von Seinem Schöpfungswerk ruhte, so ruhen nach vollbrachtem Erlösungswerk alle Kinder Gottes in Ihm.
In Hebr. 8, 7 lesen wir: „Wenn nämlich jener erste Bund tadellos gewesen wäre, so würde nicht die Möglichkeit, einen zweiten Bund zu schließen, gesucht worden sein.“ Und es steht ebenfalls geschrieben: „Denn weil das Gesetz nur das schattenhafte Abbild der zukünftigen Heilsgüter enthält, nicht aber die Gestalt selbst, so ist es nimmermehr imstande … ans Ziel zu bringen.“ (Hebr. 10, 1). Jesus, unser Erlöser, war die Antwort; nur durch Ihn allein erreichen wir das Ziel.
ER ruft allen zu: „Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid: Ich will euch Ruhe schaffen!“ Der Heiland sagt weiter: „Nehmt Mein Joch auf euch und lernt von Mir! denn Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“ (Matth. 11, 28-29).
Am Anfang der neutestamentlichen Gemeinde wollten Brüder, die gläubig geworden waren, auch während der Gnadenzeit entsprechend den Verordnungen des Gesetzes weiterleben. Es kam zu der Frage, was den Gläubigen aus den Nationen zur Beobachtung auferlegt werden soll. Dazu lesen wir in Apg. 15, 19 + 20: „... man sollte denen, die sich aus den Heiden zu Gott bekehren, keine Lasten aufbürden, sondern ihnen nur die Verpflichtung auferlegen, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Fleisch erstickter Tiere und vom Blutgenuss fern zu halten.“ Aus Vers 28 geht deutlich hervor, dass es sich bei dieser Entscheidung nicht um die Meinung der Apostel und Ältesten handelte, sondern, wie geschrieben steht: „Es ist nämlich des Heiligen Geistes und unser Beschluss, euch keine weitere Last aufzubürden als folgende Stücke, die unerlässlich sind …“
Paulus schreibt in Röm. 14, 5: „Mancher macht einen Unterschied zwischen den Tagen, während einem anderen alle Tage als gleich gelten: ein jeder möge nach seiner eigenen Denkweise zu einer festen Überzeugung kommen!“ Wenn es für die Gläubigen aus den Nationen notwendig gewesen wäre, hätten die Apostel einen bestimmten Tag festgelegt. Doch Paulus stellt es jedem frei und fährt fort: „Wer etwas auf einzelne Tage gibt, der tue es dem Herrn“ (Röm. 14, 6). Und wer es dem Herrn tut, der lässt alle anderen in Ruhe!
Ganz offensichtlich ist in der Lehre der Apostel (Apg. 2, 42) über das Halten eines Tages nichts festgelegt worden. Obwohl die Briefe des Paulus in jener Zeit von Gläubigen aus Juden und Heiden gelesen wurden, bestand er nicht darauf, dass der Sabbat gehalten wird. Für die Juden war das ohnehin selbstverständlich. Auch die Feste blieben mit neutestamentlicher Bedeutung für sie bestehen. So beeilte Paulus sich, zum Pfingstfest in Jerusalem zu sein (Apg. 20, 16).
Es geht also im Neuen Testament nicht mehr um einen Tag in der Woche, sondern um den bleibenden Frieden mit Gott und um die ewige Ruhe in Gott. Wir sind Gott nicht nur an einem Tag nahe und geweiht, sondern für immer. ER hat in uns Wohnung genommen und Sein Gnadenwerk in uns getan. So sind wir von unseren eigenen Werken zur Ruhe gekommen und ruhen allezeit in dem lebendigen Gott. Deshalb ist es eine »Sabbatruhe« und nicht eine „Ruhe am Sabbat“. Im ersten Bund brauchte der Mensch leibliche Ruhe an einem Tag, im Neuen Bund hat er geistliche Ruhe für die Seele an jedem Tag. In die Ruhe am Sabbat konnte jeder schon seit Einsetzung des Sabbats eingehen. Es geht jedoch um die wirkliche Ruhe und den Frieden in Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Nach Gründung der neutestamentlichen Gemeinde gibt es nicht einen Hinweis darauf, dass die Apostel den Sabbat in alter Weise zu halten geboten hätten. Im Gegenteil: Paulus schreibt durch den Geist geleitet folgende Worte der Ermahnung: „Darum soll niemand um Speisen und Getränke willen oder in Bezug auf Feste oder Neumondsfeiern oder ‚Sabbate‘ absprechende Urteile über euch abgeben.“ (Kol. 2, 16-18). Dieser Text ist sehr aufschlussreich, besonders der Begriff „absprechende Urteile“. Ist es nicht so, dass diejenigen, die das Heil vom Halten des Sabbats abhängig machen, über die anderen ein absprechendes Urteil fällen? Sie sprechen ihnen das volle Heil in Christus ab und ordnen sie sogar dem Antichristen zu. Doch den Gläubigen aus den Nationen darf gemäß der Heiligen Schrift weder die Beschneidung (Gal. 6, 15-16 u. a.) noch die Beobachtung des Sabbats auferlegt werden.
Dass der Herr Jesus am Sabbat in den Synagogen und im Tempel lehrte und das Reich Gottes verkündigte, ist allbekannt. Auch die Apostel, besonders Paulus, nahmen die Gelegenheit wahr, am Versammlungstag den Menschen das Wort Gottes zu predigen. In Ephesus predigte Paulus zwei Jahre lang, zunächst in der Synagoge, dann aber auch in einem öffentlichen Hörsaal (Apg. 19, 8). Das Evangelium kann man sowohl am Sabbat wie auch am Sonntag und an jedem Wochentag verkündigen.
Wenn dieser Zeitabschnitt der Gnade für die neutestamentliche Gemeinde abgelaufen ist, beginnt eine neue Epoche in Verbindung mit Israel; darin gelten dann auf der Erde die dafür bestimmten Verordnungen Gottes mit Bezug auf die Königsherrschaft. So steht in Jes. 66, 23: „,Es soll dahin kommen, dass monatlich am Neumond und wöchentlich am Sabbat alles Fleisch sich einfindet, um vor Meinem Angesicht anzubeten‘, so hat der Herr gesprochen.“ Und ebenso: „Danach aber werden alle, so viele von sämtlichen Völkern, die gegen Jerusalem zu Felde gezogen waren, übrig geblieben sind, Jahr für Jahr hinaufziehen, um dort den König, den Herrn der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern.“ (Sach. 14, 16).
Auch das, was Gott der Herr für die Epoche des Tausendjährigen Reiches festgelegt hat, wird sich erfüllen, denn es steht ja geschrieben: „Wahrlich, Ich sage euch, solange Himmel und Erde bestehen, soll auch nicht ein Wort oder Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“ (Matth. 5, 18).